· 

Ellenserdamm und seine Siele

von Gustav Popken, überarbeitet von Rüdiger Buhl

 

Bei Verhandlungen zwischen Oldenburg und Ostfriesland im Jahre 1613 gaben die Ostfriesen zu, dass die Kirche von Altgödens untergegangen sei, und das Brack bis an den Mühlenkolk gelaufen sei. Tamme von Diekhausen berichtet, dass das Brack bei Friedeburg 1544 durchschlagen sei. Dadurch, behaupteten die Ostfriesen, sei eine nähere Verbindung zwischen Oldenburg und Jever hergestellt. Doch der Weg führte über die Festung Friedeburg, was für Johann XVI, als er Herr von Jever wurde, unerträglich war.

 

Er wollte er sich auf eigenem Boden einen Weg nach Jever schaffen. Das ging nur, wenn er das Salze Brack durchdämmte. Dieses aber ergoss sich über viele Arme bis tief in das Land hinein, bis Steinhausen, Driefel, Zetel. Daher war es unmöglich, das Brack auf einmal zu durchdämmen. Es mussten vorbereitende Massnahmen getroffen werden. 1576 wurde ein Deich vom Steinhausersiel bis nach Driefel gebaut, 1578 einer von Driefel bis zur Grenze. Dadurch wurden die Inseln Hiddels und Ellens wieder mit dem Festland verbunden Ähnliches machte man auch auf der Jeverschen Seite. Dadurch wurde der Anwuchs befördert und das Brack verkleinert.

Schliesslich konnte das Ziel dieser Arbeiten nicht mehr verheimlicht werden. 1597 begann man mit dem Bau des Dammes vom Steinhauser Siel über Hiddels nach Ellens. Doch nun erhob Graf Enno von Ostfriesland Einspruch gegen das Deichwerk. 1599 war ein Prozess beim Reichskammergericht in Speyer im Gange. Graf Enno gewann, Anton Günther erhielt 1604 den Befehl, den Bau des Deichwerks einzustellen. Freie Hand erhielt er erst wieder, als er 1612 schriftlich versprach, dass er das Deichwerk zerstören wolle, wenn der Prozess gegen ihn ausfalle. Jetzt mischten sich die Generalstaaten der Niederlande in den Konflikt ein, gaben aber bald ihren Einspruch auf. 1613 waren die Dämme im wesentlichen vollendet und die beiden Siele in den Deich hineingebaut, aber das Brack, durch welches die Flut reissend aus- und einging, musste noch durchschlagen werden. Drei holländische Deichbaumeister hatten sich vergeblich darum bemüht. Erst  als dem Zwischenahner Vogt Arend Stindt die Leitung der Arbeiten übertragen wurde, gelang das Vorhaben. Er vollendete am 31. Juli 1615 das Werk. In feierlicher Weise nahm Anton Günther Besitz von dem eingedeichten Land. Von Ostfriesland wurde ein zweiter Prozess gegen Oldenburg eingeleitet, der erst nach 200 Jahren in schiedsgerichtlichem Verfahren zu Gunsten Oldenburgs entschieden wurde. Der Einspruch gegen das Deichwerk wurde durch Vergleiche von 1633, 1665 und 1685 aus der Welt geschafft. Der Damm war fertig, der Weg von Oldenburg nach Jever von 10 800 Meter auf 8 000 Meter abgekürzt und die Grundlage geschaffen für weiteren Landgewinn an dieser Uferstrecke. Aber der dreissigjährige Krieg kam mit seinem unsäglichem Elend dazwischen. In Ostfriesland leistete der Graf von Mansfeld gründliche Arbeit. Anton Günther liess auf dem Ellenserdamm eine Schanze bauen, die aber Graf Mansfeld für sich zum Schutze gegen die See beanspruchte. Als Anton Günther sie mit nur einer Feldschlange und 3 Mann besetzte, eroberteMansfeld sie mit einer ganzen Kompagnie und 3 Feldschlangen und räumte sie erst nach längerem Verhandeln wieder. Nach dem Krieg erholte sich der Verkehr nur langsam wieder. Das war zunächst den Mennoniten und Widertäufern zu danken, die kurz vor dem Krieg Neustadt Gödens gegründet hatten. Sie haben fast nur den billigeren Wassertransport für ihre Waren benutzt. Die brachten sie mit dem Boot zum Ellenserdamm und durch die Siele, wo sie in grössere Schiffe verladen wurden. Der Landverkehr auf dem Damm folgte. So konnte 1680 der Zoll auf dem Damm für 180 Taler verpachtet werden. um 1698 gab ein  Schlüter für den Zoll und die Wirtschaft auf den Damm schon vierhundert Taler.

Auch der Anwachs an den Uferstrecken vor den Neuenburger und Sander Deichen nahm stetig zu. Wenn auch die Deiche manchmal schweren Drangsalen ausgesetzt waren, so konnte doch das Gewonnene Land unverändert erhalten werden. An der Jeverschen Seite wurde der Salzengroden eingedeicht. Von dem sagt Brahms in seinen handschriftlichen Nachrichten: Der Deich musste fast ganz im Schlick gebaut und auf eine Tiefe gelegt werden, wo bei der gewöhnlichen Flut ein, zwei und drei Fuß Wasser stand. Dadurch wurde nicht nur die Anlage, sondern auch die Unterhaltung sehr teuer. Weil kein Vorland übrig geblieben war, musste der Deich noch 30–40 Jahre mit einem Strohdach geschützt werden. Das alles führten die Sander Interessenten gegen die sofortige Übernahme der Deiche an. Nach Tenge betrugen die Herstellungskosten 22 681 Taler. 1644 wurden für Reparaturarbeiten 16 444 Taler ausgegeben. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 35 914 Taler. Bis 1665 gab man noch 20 000 Taler für Reparaturen aus.

Auf der Strecke vom Zeteler Siel bis zur Elllenserdammer Schanze war ein sehr beträchlicher Anwuchs entstanden. Wegen der damit verbunden Verlegung der Siele verzichtete man auf die neuerliche Durchschlagubg des Bracks. Die Bedeichung des Grodens wurde diesmal Privatleuten überlassen. Mit Heinrich Tietjen, Johann Asseln und vier anderen Hausleuten schloß man am 20. Nov. 1658 einen Kontrakt. Danach verpflichteten die  Unternehmer sich, den Deich zu bauen. Der Groden wurde ihr Eigentum. Sie sollten dafür beim Antritt einen Weinkauf von 5 Taler pro Jück zahlen und dazu eine jährliche Pacht von 1 1/2 Taler pro Jück. Die Unternehmer hatten mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Anfang September 1660 brach der Hauptdeich. Es entstand Eine Bracke von 60-70 Fuß Ausdehnung. Auch 1661 brach er wieder an mehreren Stellen. 1663 ebenfalls. 1637 wurde das Land nördlich vom Blauhandter und südlich vom Salzen Groden dem dänischen Geheimrat Friedrich von Kötteritz zur Bedeichung und zum adelig freien Besitz übergeben. Herr von Kötteritz erlebte die Vollendung des Deiches nicht mehr. Erst seine Witwe vollendete ihn.

Mittlerweile waren die beiden Ellenserdammer Siele schon über 100 Jahre alt und sehr baufällig geworden. Sie an derselben Stelle zu erneuern oder weiter seewärts neu zu errichten kostete gleich viel. Daher beschloss man 1714, sie weiter hinaus zu legen. Es sollten zwei neue Siele in das Brack gelegt und dieses durchdämmt werden. Das gewonnene Land  wurde für 77 000 Taler an die Interessenten verkauft. Aber die Weihnachtsflut von 1717 kam und brachte unendlich viele und kostspielige Ausbesserungsarbeiten an den Deichen mit sich. Die Ellenserdammer Siele mussten zur Hälfte neu gemacht werden. So begann man erst im Frühjahr 1732 mit dem neuen Ellenserdammer Deich. Mönnich schreibt: „Grössere Schiffe konnten nur noch bis zu den Ellenserdammer Sielen fahren.“ Die Binnenschiffahrt von Neustadt Gödens wurde zwar etwas verlängert, aber doch bequemer. Man konnte Ebbe und Flut besser ausnutzen. Die Ab- und Zufahrt vom Lande (Bockhorn) wurde weder länger noch beschwerlicher. Hatte man bisher alles zum Steinhausersiel gefahren, wo schon seit langer Zeit eine kleine Hafenanstalt existierte, wurde diese nun überflüssig durch den Bau der Querkaje zwischen den beiden neuen Ellenserdammer Sielen. Die Bockhorner Sielacht beanspruchte die fortgesetzte Unterhaltung dieser Kaje als Uferbefestigung, wurde aber am 2. April 1845 endgültig vom Ministerium in Oldenburg abgewiesen. Die zugelassene Unterhaltungspflicht des Deichbandes wurde von der Sielacht nicht versucht, bis sich im Jahre 1882  eine Erneuerung der Kaje als notwendig erwies. Nun lehnte die Sielacht jedoch die Verpflichtung zu diesem Bau ab unter Berufung auf die Unentbehrlichkeit der Kajen als Uferschutz. Auch der Deichband verweigerte die Uebernahme der Kaje weil der Uferschutz durch die Zurückverlegung der Siele erforderlich geworden sei. Eine bei der obersten Deichbehörde gesuchte Entscheidung über diese Streitfrage ist nicht erfolgt. 1882 und 1883 wurde die Kaje repariert.

Das Zeteler Siel wurde schon 1576 an der jetzigen Stelle gebaut und 1755 erneuert. Nachdem es 1824 wieder mal neu aufgeständert war, wurde es 1825 durch die Sturmflut zerstört und 1826           zweihundert  Meter südlich           neu     gebaut.

Als 1753 an den Ellenserdammer Sielen grössere Reparaturen notwendig wurden, wurde nach Hunnrichs Mitteilung die abermalige Seewärtsverlegung der Siele zur Sprache gebracht, man hat aber davon abgesehen. Die Siele wurden grösstenteils neu gelegt. Die 1738 erbaute Querkaje blieb bestehen und wurde 1753 neu repariert.

Alle Waren, die bei den Ellenserdammer Sielen ein und aus gingen, mussten verzollt werden. Die Erträge dieses Zolles waren an den Kaufmann Job. Hemken aus Bockhorn verpachtet. Der Pachtkontrakt des Erbpächters hatte folgenden Inhalt:

„Der Erbpächter kann von allen Waren, die bei den Ellenserdammer Sielen ein und ausgehen, in gleicher Weise wie bisher einen Zoll erheben,

Darf der Erbpächter das bisher übliche Hafengeld und Backengeld erheben,

Kann sich der Erbpächter Je einen Erbkrug bei dem Steinhauser- und bei den Ellenserdammer Sielen errichten. Dafür ist der Erbpächter verpflichtet, Weihnachten jeden Jahres und zwar 1740 zum ersten Male 33 Taler in gutem Leipziger Fuss in guten 2/3 Stücken an die Kasse der Vogtei Bockhorn zu zahlen.

Ist der Erbpächter verpflichtet, auf einem bei den Sielen aufgefahrenen Platze, welcher ihm vom Deichgräfen angewiesen werden soll, ein zur Wirtschaft dienliches Haus zu errichten. Solches soll er entweder selbst bewohnen, oder gute Leute darin halten, welche die notwendige Siel- und Hafenaufsieht auf seine, des Erbpächters Kosten ausführen.

Soll er darauf sehen, dass weder Neustädter noch andere Bootfahrer weder bei Tage noch bei Nacht durch die Siele fahren und dieselben durch gewaltsames Öffnen beschädigen. Müssen die Schiffe vor den Sielen warten, so müssen sie an den Seiten liegen, nicht im Tief, sonst kann das Wasser nicht ungehindert ablaufen.

Wenn sich irgendwo Mängel zeigen, hat er dieses dem Sielgeschworenen oder irgend einem anderen Beamten zur ferneren Berichterstalltung zu melden, damit dieses sofort repariert und so grösserer Schaden verhütet werden kann. 

Muss der Erbpächter den Hafen jetzt und Immer so oft wenn nötig ist, vom Schlick reinigen, so dass die Schiffe ungehindert darauf liegen und allemal wieder davonkommen können. Hier und auch bei der Aufsicht über die Siele, hat er sich nach den Anordnungen der Deichinspektoren gebührend zu richten.“

Die Steinhauser Schiffer benutzten den neuen Ellenserdammer Hafen. Zuweilen werden sie auch wohl die Steinhäuser Kaje benutzt haben, aber das wird nicht bedeutend gewesen sein. Konfirmationen jenes Vertrages von 1740 aus der Zeit vor 1800 sind nicht aufzufinden.

Dann kam das Jahr 1805 mit der Kontinentalsperre und legte jede Schiffahrt lahm. Alle Steinhauser Schiffer sassen zu Hause und langweilten sich. Das dauerte neun lange Jahre. Endlich kam das Jahr 1813. Als der Sekretär des Bockhorner Gemeindevorstehers in seiner Proklamation vom 20. März 1813 erklärte, dass fortan die Schiffahrt wieder frei sei und ein jeder an der Oldenburger Küste aus- und einfahren kann wo er will, zogen die Steinhauser Schiffskapitäne mit ihren Matrosen nach Bockhorn. Sie wurden von dem alten Freudenberg geführt, hatten an der Spitze einer langen dünnen Stange eine Oldenburger Fahne befestigt und stellten diese auf den Bockhorner Marktplatz auf. Am folgenden Tage, an einem Sonntag, hatten die Steinhauser Schiffer ein grosses Boot auf einen Blockschlitten gesetzt und 24 Pferde davor gespannt. Sämtliche Kapitäne mit ihren Matrosen in ihrem Sonntagsstaat, die Kokarde an Ihrer Brust sassen in dem Boot. Mit einen Hurra und einem Vivat Peter Friedrich Ludwig stiegen sie bei der Kirche aus und nahmen am Gottesdienst teil. Nach der Franzosenzeit wurde alles wieder so eingerichtet wie es gewesen war.

Das alte Haus auf dem Deiche zwischen den Sielen war immer noch die Wirtschaft. Da aber nach 1817 der Verkehr stark zunahm, genügte es den Anforderungen nicht mehr. Deshalb wurde dem damaligen Erbpächter J. D. Reinders aus Steinhausen aufgegeben, innerhalb des Deiches ein anderes Wirtshaus mit Stallraum zu errichten, widrigenfalls er seines Rechtes auf den zweiten Krug für verlustig erklärt werde. Da zudem die Siel- und Hafenansicht sehr vernachlässigt worden war, wird Ihm auferlegt, jedes Krughaus künftig entweder selbst zu bewohnen, oder an einen solchen Mann zu vermieten, der von der Deichkommission für tüchtig befunden werde, die Hafen- und Sielaufsicht richtig zu führen. In dieses neu erbaute Haus setzte er seinen Schwiegersohn Johann Renke Popken. Interessant ist der Vertrag der Erben des J.D. Reinders vom Jahre 1840. Johann Renke Popken mietet das Haus von seinen Miterben von 185 Talern. Dafür erhält er die den Reinderschen zustehende Freiheit zur Führung des Kruges. Der Heuermann musste dafür das Hafensoll reinigen und unentgeldlich die Baaken stecken am Aussentief. Dazu zahlte er einen Taler und 20 Groschen für den freien Krug.

Als 1838 der Grossherzog den Postweg von Varel nach Jever mit Klinkern pflastern liess und in Butjadingen noch mehrere Wege mit Klinkern gepflastert wurden, stellte sich heraus, dass die Bockhorner Klinker für den Strassenbau vorzüglich zu gebrauchen waren. In den 1860er Jahren fanden dann die Klinker im aufblühenden Wilhelmshaven einen Absatzmarkt, der ihnen von keiner Konkurrenz streitig gemacht werden konnte. Auch ins Ausland wurde eifrig exportiert. Nach 1870 setzte eine lebhafte Konkurrenz der Bockhorner Klinker mit den Holsteinischen ein, aber die Bockhorner erwiesen sich als haltbarer, waren aber nur konkurrenzfähig durch den billigen Wassertransport. Alle Steine nach Schleswig Holstein wurden über Ellenserdamm verschifft. So nahm der Verkehr so stark zu, dass die kleine Querkaje zwischen den beiden Ellenserdammer Sielen nicht mehr genügte. 1880 wurde die Längskaje angelegt. Bald lag auch die Längskaje voller Schiffe. Zeitweise hatte der Hafen über 1300 Jährliche Ankünfte und Abfahrten und es wurden manchmal 30 Millionen Klinker im Jahr verfrachtet. Die Strasse von Bockhorn zum Hafen war belebt mit Steinwagen. Bald ging auch das nicht mehr. Nach dem Bau der Bahn Bockhorn Ellenserdamm legte man auch einen Zweig zum Hafen.

 

Mit Ausbruch des 1.Weltkriegs wurde alles still, still wie auf dem Friedhof. Die Schiffe legten auf und hofften auf glücklichere Zeiten. Aber sie hofften vergebens. Der Krieg ging verloren und Arbeitslosigkeit machte sich breit. Um sie zu senken, wurde nach öffentlichen Aufgaben gesucht. Man griff den alten Plan von 1818, die Durchdammung des Ellenserdanmer Aussentiefes, wieder auf. Früher wollte man eine Schleuse bauen, jetzt baute man ein Siel in das Aussentief. Der Kostenvoranschlag von 400 000 Mark bedeutete 2000 Mark  Belastung pro Hektar. Nach Fertigstellung wurde eine weit höhere notwendig und musste sofort bezahlt werden. Anleihen in Roggenscheinen waren notwendig. Viele Bauern gerieten später mit ihrer Roggenverschuldung in arge Bedrängnis. Aber mit dem Hafen war es endgültig vorbei. Die Ellenserdammer Siele blieben allerdings erhalten, aber nur als Verlate.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Hayen, Margrit (Montag, 19 Februar 2024 23:56)

    bitte Rechtschreibfehler korrigieren (siehe Original)