Aufzeichnungen von Johann Diedrich Küper (Oberpostsekrerär) geb. 19.02.1880, gest. 21.04.1957.
ter besuchte von 1856 bis 1864 die Volksschule in Bockhorn. Der Schulunterricht fand nur in den Sommermonaten statt. Von seinem 14. Lebensjahr ab war Vater mit tätig in der Böttcherei, 1865 beteiligte er sich mit an dem Sandfahren für den neuen Bahndamm Oldenburg – Wilhelmshaven. Große Sandhaufen wurden hinter Ellenserdamm, im Kötteritzen und bei Sande gelagert.
Von 1866 bis 1868 erlernte Vater die Landwirtschaft bei Theodor Tapken (Kunnepeß – Theodor) in Kranenkamp. Hier durchkostete er eine strenge Lehrzeit, in der es ohne Prügel nicht abging.
1868 war Vater Zeuge von der ersten Personenzugfahrt auf der nun fertiggestellten Eisenbahnlinie Oldenburg - Wilhelmshaven.
1869 bis 1870 Herbst betätigte sich Vater in dem Betriebe des Landwirts Johann Suhren, Steinhausen. Ihm waren 5 Knechte untergeordnet, außerdem wurden 4 Mägde und im Sommer 4 Arbeiter beschäftigt. Der landwirtschaftliche Betrieb verfügte über 9 Pferde und 115 bis 123 Stück Hornvieh.
Im Oktober 1870 wurde Vater zum Heeresdienst eingezogen. Er diente bei der 9. Kompagnie des Oldenburgischen Füsilierbataillons. Die alte Kaserne stand noch damals dort, wo sich jetzt die neue Kaserne am Pferdemarkt erhebt. Nach Vater seinen Angaben war die Ausbildung keine scharfe, das heißt, sie bereitete ihm Vergnügen. Geländedienst fand auf der Alexanderheide statt.
Im Frühjahr 1871 kam er mit seiner Kompagnie nach Frankreich. Das Bataillon gehörte von nun ab mit zu der Okkupationsarmee, Besatzungsarmee. In Frankreich verrichtete Vater Burschendienst bei seinem Kompagnie-Führer, Hauptmann von der Theissen. Ein Bild aus der damaligen Zeit hängt im Wohnzimmer des Elternhauses. Auf diesem sehen wir den Hauptmann mit seiner Familie, die Erzieherin der Kinder, das alte französische Ehepaar – Grundbesitzer – sowie unsern Vater und dem Pferdeburschen. Als Garnison hinter Nancy, in Toul wurden Infanteriedienst und dergleichen geübt. An Löhnung gab es täglich 60 Pf. Die Verpflegung, welche die Franzosen lieferten, war sehr gut. Viel Wein wurde getrunken. Nachdem im Jahre 1873 Frankreich seine Kriegsschulden in Höhe von 5 Milliarden Franken bezahlt hatte, kehrten die deutschen Truppen in ihre Garnisonsorte zurück. Vater wurde aus dem Heeresdienst entlassen und war im Elternhaus beschäftigt. Im Jahre 1874 nahm er als Reservist an dem Kaisermanöver bei Hannover teil. Hier begrüßte der damalige Kaiser Wilhelm I. die Truppen. Vater sah hier seinen obersten Kriegsherrn.
Seit Herbst 1874 stand Vater im Dienst des Ziegeleibesitzers August Lauw in Bockhorn. Zuerst als Verwalter auf Kreyenbrook und von 1876 bis 1883 als Verwalter auf Groß-Garnholt. Dies Gut hat er zum größten Teil mit kultiviert und anbaufähig gemacht. Es umfasste 200 ha. Acker- und Weideland, außerdem noch 30 ha. Waldbestand. Im Herbst 1883 verzogen unsere Eltern nach Kranenkamp. In der heutigen Besitzung wohnten sie erst zur Pacht. Diese gehörte dem Landwirt Theodor Tapken in Kranenkamp. Nach dessen Tode wurde die Landstelle käuflich erworben.
Nun eine kurze Übersicht über die getroffenen Um- und Neubauten. Das elterliche Wohnhaus ist vermutlich 200 Jahre alt. Das bestätigen die Mauersteine von großer Form. Ursprünglich war es ein Fachwerkbau und Rauchhaus. Diese Fachbauten wurden in der damaligen Zeit, je nach der wirtschaftlichen Lage der Besitzer, vergrößert. Die dicken Eichenbalken zeigten beim Umbau der Küche eine starke Rauchschicht – die sogenannte „Sootschicht“. Derartige Balken sind äußerst haltbar, ja fast unvergänglich. Die Alkovenbettstellen sind seit vielen Jahren verschwunden.
Vieh- und Schweineställe befinden sich auf der rechten Seite der Hausdiele. Das traute offene Herdfeuer machte dem Schurherd Platz. Jetzt ziert ein Kamin mit Fliesen holländisches Muster die frühere Herdstelle. Nach dem Küchenreinigen am Sonn-abend wurden die roten Steine vor der Herdstelle mit weißem Sand geziert, ebenfalls die Herdwand unter dem Schornstein mit demselben Sand beworfen. Die Scheune ist auf 20 Meter verlängert worden. Ihre Rückwand und die linke Seitenwand zeigen noch das sogenannte Fachwerk. Dieses vereint mit dem dicken Reitdach der vorderen Scheune und dem des Wohnhauses geben den Gebäuden den Typ des niedersächsischen Bauernhauses. Der Schweinestall am Wohnhaus ist 35 Jahre alt. Ein großer massiver Schuppen – Klinkerbau – ist neu erbaut worden, auch wurde der Backofen erneuert. Die fünf Lindenbäume hinter dem Hause fielen der Axt zum Opfer. Der Viehstall wurde in die Scheune verlegt. Nur der alte Brunnen sowie der Efeu umrankte Eichenstamm, in dessen Gabelung der „Pootschwengel“ ruht, sind Zeugen einer älteren Zeit.
Auch die landwirtschaftliche Umgebung der Gebäude zeigt heute ein anderes Bild, als am Ende des vorigen Jahrhunderts. Die Klinkerstraße endete damals beim Hause, von der zwei Sandwege abzweigten. Dicke Wälle mit hohen Eichen, Erlen und Unterholz bewachsen, umrahmten Acker- und Weideland. Eine zahlreiche Vogelschar fand hier Nistgelegenheit. Aus dem Brombeergestrüpp im „Nee“ ertönte der Nachtigallengesang, in den Bäumen gurrten die Holztauben und possierliche Eichhörnchen zeigten ihre Kletter- und Springkünste. Der Eichelhäher verkündete das Nahen der Menschen und des Abends schickte die Eule von ihrer Warte auf dem „Sootschwengel“ aus ihren Klageruf in die Weite, uns neugierig betrachtend: Sie alle sind mit dem Ausroden der Wälle verschwunden.
Heute ziert ein großes schmiedeeisernes Tor, gestützt auf zwei Klinkersockel, die Haupteinfahrt und es wird von zwei alten Eichenbäumen beschattet. Die Auffahrt ist jetzt mit Klinkern gepflastert, während die kleine Fläche vor dem Hause mit den stummen Zeugen der Eiszeit, den sogenannten „Kopfsteinen“ ausgelegt war. Nur die alte „Mestbüldtstü“ ist unverändert. Sie ist, wenn der große Haufen fein geformt lagert, nach wie vor de Bur sin Stolt. Der alte Torfschuppen und der Wagenschuppen gehören der Vergangenheit an.
Das „Flageldöschen“ lebt in meiner Erinnerung weiter. Für mich war die Dreschzeit stets ein Ereignis. Ich musste die Garben umkehren, manchmal als sechster mithelfen, dat Schlagholn klappde ümmer.
1893 bekam Vater die erste Dreschmaschine. Sie war ein Spelzdrescher von Lanz Mannheim. Von uns älteren Geschwistern wurde diese Maschine angestaunt und wir konnten uns ihre Aufgabe nicht erklären. Aber bald fanden wir die Lösung. Der Göpel draußen wurde mit zwei Pferden bespannt, die ihn in Bewegung setzen und dieser brachte mittels einer Stange die Maschine zum Antrieb. Das Brummen der Maschine und die Klänge des arbeitenden Göpels verhalten in der Umgebung. Das Antreiben der Pferde war ein Vergnügen. Wir standen auf dem Göpel, immer rund herum, das erinnerte an die Karussellfahrt. Doch auch unser braver Lanz musste den Zahn der Zeit weichen. Die technischen Fortschritte dieses Jahrhunderts brachten unter anderem auch den Breitdrescher mit Motorantrieb. Eine solche Maschine ist seit einigen Jahren aufgestellt worden und verkündet durch sein Brummen seine Tätigkeit. Bei diesem Dreschen arbeitet Vater noch mit, denn er besorgt das Einstecken der Garben.
Das Leben, so es köstlich ist, heißt Arbeit.
Diese Worte dienten als Richtschnur für Vater und Mutter. Die Arbeit rief beide täglich, besonders aber im Sommer, dann gab es lange Tage. Vater verrichtete im Frühjahr die Ackerbestellung, im Sommer musste die Ernte unter Dach, im Herbst die Kartoffel- und Rübenernte, außerdem Ackerbestellung und Einsaat der Winterfrucht. Im Winter wurde gedroschen, das Getreide gereinigt und der Überschuss verkauft. Das aufgestallte Vieh verlangte Futter und Pflege. Diese Wiederholungen Tag um Tag, Jahr um Jahr, bringen dem Bauern wenig freie Zeit. Außer der Bewirtschaftung der Ländereien beteiligte Vater sich mit am Steinefahren für Lauw Bockhorn. Wie viele Kilometer hat er mit seinen Pferden und Wagen auf der Landstraße zurückgelegt. Es waren die weiten Wege zum Groden und zum Moor, zu denen kamen noch die vielen Strecken, welche mit den Steinlasten abgefahren werden mussten. Er unternahm Fuhren bis nach Hohenkirchen im Jeverland, nach Heppens, Wilhelmshaven, Remels in Ostfriesland, Ocholt und Augustfehn, sogar nach Reitland, Seefeld, Schwei, usw. Ferner die vielen Tagesfuhren nach dem Ellenserdammersiel, von dem die Klinker mit den Schiffen verfrachtet wurden.
Unsere Mutter war vor ihrer Verheiratung bei dem Rentmeister Bosse zu Varel in Stellung, wo sie den Haushalt erlernte.
Im Hause ruhte eine große Last auf ihren Schultern. Nicht allein, dass die für uns Kindern sorgte, nein, die Hausarbeiten mussten erledigt werden. Im Sommer forderte der große Garten ihre Kraft. Außerdem musste sie melken, die Mahlzeiten zubereiten, für Vater und die Kinder nähen, flicken, stopfen usw.
An den Winterabenden saß Mutter beim Schein der Petroleumlampe und strickte emsig. Wie manches Paar wollene Strümpfe, denen sich die wollenen Unterhosen und Unterjacken an-reihten, hat Mutter für Vater und uns Kindern fertiggestellt?
Am 18. April 1904 feierten unsere Eltern ihre Silberhochzeit. Leider konnte ich an der Feier nicht teilnehmen. Mich trennte das Meer von der Heimat, denn zu der Zeit befand ich mich an Bord S.M.S. „Iltis“ im fernen Osten, in Japan.
Eine seltene Feier erlebten beide am 18. April 1929. Die Feier ihrer goldenen Hochzeit! An dem Tag gab sich die ganze Familie im Elternhause ein feierliches Beisammensein.
Im unteren linken Bereich der Karte ist die Erreichbarkeit Elllenserdammersiel über den Seeweg zu erkennen.
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