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Ostindien

Eine Beschreibung von unbekannter Quelle. Zum Abdruck bereitgestellt von M. von Häfen, Bockhorn

 

Am Dorfeingang hört die von Bockhorn kommende Klinkerstraße auf, es beginnt die aus Feldsteinen bestehende Hauptdorfstraße. Bei Regenwetter ist die Straße vollkommen verschmutzt und der Straßenwärter Wilhelm Meinen, Poggenhörn, hat dann viel Arbeit um den größten „Gubbel“ fortzuräumen. Links liegt das Bauerngehöft von W. Suhren. Rechts liegt das alte Haus „Ostindien“ mit dem alten Ziehbrunnen.

Hier wollen wir kurz verweilen und uns Gedanken um etwa 100 Jahre zurückversetzen. Fast jedes alte Haus in unserem Dorfe ist von einem Kranz sagenhafter Geschichte und Anekdoten umrankt.

Eine alte Überlieferung weiß folgendes zu berichten: Um das Jahr 1800 schon befand sich in diesem Haus ein Erbkrug. Der Name Ostindien für dieses Haus ist in der Folge verschiedentlich gedeutet worden. Einige Dorfbewohner glaubten, hier hätten die Schiffer die nach Ostindien fuhren, ihre Stammkneipe gehabt. Diese Annahme ist zweifellos irrig. Die Schiffer, die nach Ostindien fuhren, waren mit ihren Schiffen sicherlich nicht in Steinhausersiel beheimatet, die Seeschiffe die hier anlegten waren unbedingt seetüchtig, aber für die weite Reise um das Kap der Guten Hoffnung waren sie sicherlich nicht geeignet (den Weg durch den Suezkanal gab es um die Zeit noch nicht, er wurde erst 18698 eröffnet).

„Ostindien“ war einer der damaligen Erbkrüge in Steinhausen. Anfang des Jahres 1800. Kehrte hier eines Abends ein müder Wanderer ein, um zu übernachten. Er kam vom Ammerland mit der Absicht, auszuwandern und strebte einem Küstenhafen zu. Sein Ziel war Ostindien, dort wollte er sich eine neue Heimat suchen. In unserem Krug geriet er in eine fröhliche Gesellschaf. An der lustigen Zecherei beteiligte sich unser Auswanderer ausgiebig, ebenso an dem folgenden Kartenspiel. Hierbei verlor er sein ganzes Geld, infolgedessen er am nächsten Morgen in sein Heimatdorf zurückkehren musste. Das Auswanderschicksal dieses jungen Menschen erregte damals die Gemüter der ganzen Dorfbevölkerung in hohem Maße, zumal man dem Wirt des Kruges einen erheblichen Teil der Schuld an der Ausplünderung dieses hoffnungsvollen jungen Menschen zuschob. Der Volksmund nannte in der Folgezeit diesen Krug „Ostindienkrug“. Später, als der Krug längst geschlossen war. Hieß das Haus immer noch „Ostindien“ und dabei ist es bis auf den heutigen Tag geblieben.

Vermutlich kommt die Bezeichnung aber von einem dort liegenden Flurstück „Indien“. An der Stelle des alten Kruges wurde später der heutige Neubau gesetzt der bis zum Frühjahr 2016, als Kiosk betrieben wurde.

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Kommentare: 1
  • #1

    Lory Thaler-Ercolano (Donnerstag, 01 August 2019 16:58)

    In "Ostindien" lebten meine Urgroßeltern - der Schiffer Wilhelm Meyer und seine Frau Talke Margarethe, genannt Meta. Während der alte Seebär mit seiner Tjalk von Ellenserdammersiel zumeist Schlengenbusch verschiffte und das Einkommen größtenteils vertrank zog die Asthma -kranke Frau mühselig ihre Kinderschar groß, verdiente sich ein wenig mit der Verköstigung der Wanderarbeiter auf der Ziegelei. Die eigenen Mahlzeiten konnten nur auf offenem Feuer zubereitet werden. Aber ich höre noch meine Mutter und Tante von Omas "Pottstutten" schwärmen. Auch ein alter Invalide, Reinhard Lührs lebte dort und pflegte trotz seiner verkrüppelten Hände liebevoll seltene Blumen im Garten. Und nicht zu vergessen: Im großen Ziehbrunnen vor dem Haus wohnte der "Mettje", ein Wassergeist der jeden holte der sich zu weit über den Rand beugte...